Entdeckungsreise Russland

Kathleen

2016-09-01

 

Im Laufe der Reisevorbereitungen wurden wir oft gefragt, warum wir denn unbedingt Russland besuchen wollen. Ach die Russen selbst wollten schon häufig wissen, warum wir denn gerade ihr Land besuchen.


Russland und der Iran waren die Länder, in welche wir unbedingt reisen wollten, aber die Frage nach dem "Warum" können wir einfach nicht richtig beantworten.

 


Vielleicht waren es unsere Kindheitserinnerungen an die russischen Märchen, in denen neben der eigentlichen Geschichte die tolle Natur, die bunten Farben der Häuser oder die Andersartigkeit der traditionellen Kleidung zu bestaunen war. Vielleicht hat uns das jahrelange Erlernen der Sprache eines Landes, dass wir noch nie besucht haben, dazu bewogen.  Vielleicht sind es die aktuellen Medienberichte über Russland gewesen, die uns veranlasst haben, uns selbst ein Bild zu machen. Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall wollten wir unbedingt hierher.


Nachdem die ersten Tage doch etwas gewöhnungsbedüftig waren - wir haben im letzten Blog berichtet - sind wir jetzt mittendrin und angekommen. Wie gesagt, konnten uns Städte bislang nur in Ausnahmefällen begeistern. Das  Land drumherum ist einfach richtig schön.


Jedem der Russland besucht und der es seinem Auto zutraut, würden wir empfehlen, abseits der großen Strassen durch das Land zu fahren. Dann führt der Weg über löchrige Strassen und gravel road durch die kleinen Dörfchen mit ihren bunten Häusern. Sie sehen natürlich nicht aus, wie in den russischen Märchen aber es gibt sie wirklich, die kleinen Holzhäuschen mit den geschnitzten Verzierungen an den Fenstern und Giebeln und den kunterbunten Farben. In jedem Ort gibt es auch die verlassenen Häuser, die einen neuen Besitzer suchen, der sich um sie kümmert. Aber man sieht, das durchaus Leben in den Orten ist.

Ganz anders als in Deutschland hat jedes Haus einen Ziergarten UND einen Nutzgarten unterschiedlicher Größe. Ich würde sagen, das in 90% der Gärten mindestens ein Gewächshaus zu finden ist. Die Erträge werden an den Strassenrändern oder auf kleinen Märkten in der nächsten Stadt zum Verkauf angeboten. Was wirklich auffällt ist, das jedes Haus eine Eberesche vor der Tür zu stehen hat. Tradition oder Zufall, keine Ahnung. In der Dorfmitte befindet sich dann mindestens ein kleiner Ziehbrunnen, von dem sich jeder Wasser holen kann.


In den Wäldern werden Pilze und Beeren gesammelt, die entweder gegessen oder als Wintervorräte verarbeitet werden, z.B. eingesalzene Pfifferlinge. Oder sie werden an der Strasse verkauft. Wir kaufen unser Gemüse und Obst meistens an der Strasse. Erstens wissen wir so woher es kommt, zweitens hilft man so gerade den älteren Leuten, die die Waren verkaufen. Es ist zudem wirklich günstig. Wir haben auch schon öfters Pilze, im Speziellen Pfifferlige und Steinpilze, an der Strasse gekauft.

Wir dachten, dass man wie bei uns, die Stellen kennen müsste an welchen die Pilze wachsen. Als wir dann aber ständig Mengen von Leuten in den Wald gehen sahen und sie mit Tüten und Körben voller Pilze wieder herauskamen, wurden wir skeptisch und haben es einfach selbst probiert. Auch ohne irgendwelche geheimen Pilzsstandorte zu kennen, haben wir Felder von Pfifferlingen gefunden, Steinpilze, Birkenrotkappen (sind in Deutschland geschützt wegen Aussterben), Ziegenlippen, Butterpilze ... Fazit: statt kaufen, sammeln wir jetzt selbst.


Den russischen Wald muss man sich etwas anders vorstellen. Zwischen St. Petersburg und Moskau ist er meist dicht verwachsen und feucht. Man braucht schon lange Sachen, um sich durchzukämpfen. Aber man findet auch und insbesondere an der Strasse entlang luftige Birkenhaine. Oder auch mal kleine Moore. Speziell um St. Petersburg wurde uns gesagt, dass wir lieber nicht mit dem Auto weit ab vom Weg fahren sollen, da es eine sehr feuchte Gegend ist.  Sogar die Strassenlaternen konnten nicht neben der Stasse aufgestellt werden. Sie wurden auf den erhöhten Strasse auf senkrecht aus der Strasse ragenden Pfosten aufgesetzt.


Felder, wie wir sie kennen, bewachsen mit Getreide oder Gemüse haben wir  bislang nur am Godenen Ring um Moskau nordöstlich von Moskau gesehen. Allerdings haben wir auch schon des Öfteren einen Kuhhirten beobachtet, der die Tiere auf der Weide begleitet, da sie dort ohne Zaun grasen.


Bestenfalls versuchen wir immer einen Stellplatz in der Nähe von Wasser zu finden. Wir finden es irgendwie gemütlicher und auch praktisch entweder baden zu gehen oder einfach Wasser vor Ort zu haben. Die Mücken waren bislang nicht übermäßig viel vertreten, alles im normalen Rahmen. Zum Glück!

Nach St.Petersburg sind wir in Richtung Ilmensee gefahren. Ein kleiner See in Russland, in deutschen Maßstäben doppelt so groß wie der Bodensee.


In Russland ist es ja eigentlich fast überall möglich sich frei hinzustellen.  Gerade zum Wochenende muss man sich schon, selbst in dem weiten Land, sein Plätzchen "sichern". Campen in der freien Natur ist hier echt hip. Ist ja auch toll, wenn man sich bedenkenlos einfach irgendwo hinstellen kann. Sehr schade ist nur, dass überall der Müll liegenbleibt und einfach nicht mitgenommen wird! 


Am Ilmensee haben wir gleich mehrere Tage verbracht. Wir standen direkt am Wasser, das Wetter war schön, wir haben gegrillt und Lagerfeuer gemacht und wir hatten super nette Nachbarschaft. Eddi der mit seiner Frau in dem kleinen Dörfchen Pustosch bei unserem Stellplatz gewohnt hat, hat uns ankommen sehen und ist am ersten Abend gleichmal mit einem Laptop wiedergekommen. Per Skype haben wir dann mit seiner Schwester und ihrem Mann in Deutschland gesprochen. Sie hat zwischen uns gedolmetscht. Das war echt witzig und im Nebenbei  haben sie für uns einen Besuch in einem kleinen Kloster arrangiert. Dazu wurden wir extra am nächsten Tag von Eddi abgeholt und dorthin gefahren.


Nicht nur die ruhigen schönen Tage dort am Ilmensee waren toll, es waren auch die netten Begegnungen. Eddi kam immer vorbei und wir haben uns mit Händen und Füßen und unseren Bruchstücken russisch und seinen Bruchstücken deutsch verständigt. Wir wurden versorgt mit Gurken, Tomaten und selbstgemachten Piroggen und am Abreisetag gab es noch ein frisches, selbstgebackenes Brot von seiner Frau. Sie wollte uns sogar das Haus zeigen, damit wir sehen, wie sie leben.

Russisch zu können ist übrigends ein ganz klarer Vorteil und wir ärgern uns wirklich, dass wir gefühlt alles vergessen haben, was wir in 7 Jahren gelernt haben. Wobei es uns wahrscheinlich auch nicht viel nutzen würde, wenn wir es noch könnten, denn die einfachsten Wörter werden total anders ausgesprochen. Aber wir können zumindest alles lesen und uns übersetzen und wir verstehen weitaus mehr, als wir annähernd sagen können. Wir bleiben dran  und es wird besser :-) Immerhin haben wir es am Seliger See sogar geschafft uns über das Reisen, die Menschen, das Leben in den beiden Ländern, Kindergärten, Renten und Verdienste auszutauschen. Das will schon was heißen.

Der Seliger See ist im Grunde nicht ein See, sondern eine riesige Seenplatte zwischen St.Petersburg und Moskau.

 

Drumherum führt gravel road, teilweise sehr gut geschoben, teilweise riesige Löcher durch süße, kleine Örtchen, die sich um die Seen aufreihen. Es war herrliches Wetter. Wir standen an unterschiedlichen Plätzen aber am längsten auf einem wilden Campingplatz. Eigentlich wollten wir nur schauen, ob der schmale Weg zum See in einem ausreichend großen Platz endet auf welchem wir stehen können, aber dann war am Seeufer plötzlich ein kleiner, wilder Campingplatz. Ich glaube, dorthin hat sich noch nie ein Ausländer verirrt. Die meisten schienen sich zu kennen und ein älterer Herr ist seit 30 Jahren jeden Sommer 100 Tage dort am See.

 

Wir hatten uns gefragt, was so viele Leute gerade dorthin verschlägt und vor allen Dingen mit Sack und Pack. Schießlich werden ja auch irgendwann Wasser und Lebensmittel benötigt. Aber ganz klasse: Es gab eine wunderbare Quelle mit glasklarem, wohlschmeckendem Trinkwasser im Wald! Wasser zum Waschen kam aus dem See und zum Einkaufen sind sie halt in den nächsten Dorfladen gefahren bzw. hatten riesige Mengen an Vorräten dabei.


Es war einfach richtig entspannt dort. In der Hängematte liegend mit Blick auf den See, Kinder buddelnd im Sand mit den Nachbarjungs, Baden gehen, frische Pfifferlinge aus dem Wald, keine Herausforderungen bzgl. der Wasserversorgung und echt tolle Campnachbarn. Die einen haben die Kinder mit Leckereien versorgt, die Nächsten wollten René mit in den Wald zum Pilze suchen nehmen, wieder andere hatten Infos bzgl. der Quelle im Wald, von der wir ja sonst garnicht gewusst hätten und Serge und seine Familie und Freunde. Mit ihnen hatten wir eine lustige Zeit. Sie hatten auch mehrere KInder dabei, von denen zwei Jungs in Räubers Alter waren und sie deshalb spielen konnten. Wir hatten echt nette Gespräche und wurden auch zu Tee und Kaffee eingeladen. Voll das Klischee, als wir einmal da waren, sind wir nicht mehr losgekommen. So saßen wir am regenerischen letzten Tag stundenlang bei Ihnen unter dem Zelt und haben erzählt.


Wir haben überhaupt immer wieder tolle Leute getroffen. Muffelige Menschen gibt es überall aber keiner war bislang wirklich unfreundlich zu uns. Wenn wir Hilfe brauchten, waren immer die richtigen Menschen zur Stelle. Wir haben bislang viele interessierte Menschen getroffen und hatten echt nette Begegnungen.


Meistens sind alle ganz verwundert, dass wir ihr Land besuchen. Wir glauben, das ist durchaus auch der aktuellen Propaganda geschuldet. Sie wissen, dass Russland aktuell keinen guten Ruf besitzt und wundern sich umso mehr, wenn man das Land besucht. Andererseits warnen auch Russen vor Russen. Warum man vor seinen eigene Landsleuten warnt, haben wir noch nicht so richtig herausbekommen. Bei uns bislang alles gut!


Letztendlich sind die Menschen auch hier der Meinung, dass das politische Machtgeplänkel sie nicht tangiert, sondern dass sie einfach nur in Frieden miteinander und mit anderen Nationen leben wollen. Wir führen auch gerade eine kleine Putin-Umfage durch. Dieses Thema interessiert uns natürlich auch besonders. Fazit bislang: Wir hatten den Eindruck, dass die Menschen frei erzählt haben und nicht, dass sie sich bspw. nicht trauen würden etwas zu sagen. Die Jungen sagen, dass die Dinge in Bewegung sind, aber dass sie sich noch mehr innenpolitische Veränderungen wünschen würden. Die Alten sind eher zufrieden. Es gab bislang nur einen ehemaligen Luftwaffenoffizier, welcher noch zu Sowjetzeiten in Deutschland statiniert war und der jetzt als Gärtner arbeitet, welcher meinte, das Putin schlecht ist. Außenpolitisches stehen die Menschen hinter ihrem Präsidenten. Sie sagen, dass sie das charismatische Auftreten gutheißen aber sich bewußt sind, dass es das Verhältnis zu anderen Ländern negativ beeinflusst.
Aktuell ist es wohl schwer sich bspw.eine neue Arbeit zu suchen und wir haben auch, gerade vor Kirchen und Klöstern, bettelnde Menschen gesehen.


Es herschte vor dem Embargo große Angst davor, was passieren würde, wenn die Handelsbeziehungen zu Russland reduziert werden, aber als Ergebnis gibt es wohl viele positive, landesinnere Veränderungen. Es heißt, das der positive Nebeneffekt darin bestand, sich auf eigene, russische Stärken zu besinnen. So erfolgt bspw. die Versorgung nun mehr aus landeseigenen Ressourcen.
Wir bleiben dran, weil es wirklich ein spannendes Thema ist. Es war ja auch unser Ziel uns ein eigenes Bild von den Ländern zu machen und nicht einfach zu konsumieren, was die Medien vermitteln wollen.

Übrigens befindet sich in der Nähe des Seliger Sees die Wolga Quelle. Die muss man natürlich einfach gesehen haben, wenn man hier ist. Die Idee haben auch viele Russen und so ist das Areal der Quelle touristisch richtig gut hergerichtet. Es ist halt einer DER Flüsse hier. Viele Besucher haben sich sogar an der Quelle bekreuzigt bzw. eine Waschung mit dem Quellwasser vorgenommen. Wir fanden das Wasser ganz schön eisenhaltig.


Später waren wir dann noch ein paar Tage an der Wolga. Es war garnicht  geplant dort so lange zu stehen, aber wir konnten uns nicht von diesem schönen und ruhigen Fleckchen dort trennen. Ganz allein an der Wolga bei strahlendem Sonnenschein, den ganzen Tag draußen, Stockbrot und mit Wasser planschen. Richtig baden in der Wolga waren wir dort allerdings nicht. Das Wasser "blühte" etwas und René hat beim im Wasser stehen gleich einen Blutegel erwischt. Ein paar Tage vorher ist das Räuber passiert. Da haben wir jeweils nicht schlecht geschaut, ist man ja von Deutschland garnicht gewöhnt.


Soweit unser kleiner Einblick in das Russland abseits der Städte und Hauptverkehrsrouten und ein kleiner Abriss unser Begegnungen mit den Menschen hier, von denen wir noch viel mehr berichten könnten.


So mögen wir Russland und so ist spannend und macht Lust auf mehr. Es lohnt sich wirklich abseits zu reisen ....


Eine Fortsetzung folgt mit ein paar Eindrücken von Moskau und dem Goldenen Ring

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Kommentare: 3
  • #1

    Tanti (Donnerstag, 01 September 2016 23:49)

    Danke für diesen spannenden Bericht.Aber dafür,dass ihr "kaum" Russisch könnt,grast ihr allerdings sehr spezielle Themen mit den Einheimischen

  • #2

    Wolfi und Uschi (Samstag, 05 November 2016 20:20)

    Servus ihr Lieben!
    Ja, dem interessanten Bericht ist nichts hinzuzufügen! Wir sahen und sehen es auch so.
    Wir saugen Eure Bilder und Texte auf und erinnern uns an unser Treffen mit Euch.
    So beneiden wir Euch um die die scheinbar endlose Zeit, die Ihr zur Verfügung habt.
    Wir wünschen Euch viele schöne Begegnungen weiterhin!
    Liebe Grüße aus Bayern!
    Wolfi und Uschi

  • #3

    Kathleen und Rene (Samstag, 12 November 2016 19:34)

    @ Tanti: Wir haben auch gestaunt, was da so geht :-). Für das nächste Mal wollen wir auf jeden Fall vorher nochmal unsere verstaubten Kenntnisse auffrischen. Zumal man sie ja auch in anderen Ländern super brauchen kann.

    @ Wolfi und Uschi: Danke, schön wenn es Euch auch so ging. Hattet Ihr nicht eigentlich auch gaaanz viel Zeit ? Ja aber es stimmt schon, es ist sehr schön, keinen Zeitdruck zu haben. :-)

    LG an Euch alle